Bauen im Bestand
Das Bauen im Bestand und die Umnutzung vorhandener Gebäude
erhalten immer größere Bedeutung. Vor allem in ehemaligen
Industrieregionen können brachgefallene alte, vom Abriss
verschonte Fabrikationsanlagen nicht immer in Gewerbeparks oder
allein für Kulturinstitutionen eine neue Aufgabe gewinnen.
Für das Projekt "Alte Baumwollspinnerei", das in
St.- Ingbert, einer Stadt mit nur 40.000 Einwohnern entstehen
soll, ist denn auch eine Mischnutzung aus Wohnen, Arbeiten und
Kultur vorgesehen.
Die heute unter Denkmalschutz stehende Alte Baumwollspinnerei
wurde ab 1885 als eine der seltenen Geschossfabriken im Saarland
errichtet. Die in drei Etagen übereinandergestapelte Fabrikation
war ehemals ein Ergebnis der beengten innerstädtischen Lage.
Heute bietet gerade sie für die Umnutzung nahezu ideale Voraussetzungen
- in kürzester fußläufiger Entfernung sind alle
wichtigen Stadtorte zu erreichen, nicht nur die Einkaufs-Fußgängerzone,
auch Rathaus und Stadthalle, Verwaltungen, Schulen und der Bahnhof.
Das weitläufige Anwesen liegt außerdem an der Inneren
Ringstraße in enger Nachbarschaft zu einem weltweit tätigen
Softwareunternehmen und zu Forschungsinstituten.
Dominanter Hauptbaukörper ist das 70m lange und etwa 30m
tiefe Spinnereigebäude, in klassischer Industrie-Architektur
aus scharriertem Buntsandstein gemauert. An der westlichen Stirnseite
schließen sich ein niedrigeres Maschinenhaus und das turmartige
Kesselhaus an. Trafohaus und Lagergebäude verteilen sich
auf dem Gelände, dessen große Freiflächen eine
störungsfreie Trennung in Parkierungszonen und Gartenanlagen
ermöglichen. Die solide Bausubstanz, ihr guter Erhaltungszustand,
die ästhetische Vielfalt der Details, unterschiedliche Baukörper
mit großzügigen und spannungsreichen Raumstrukturen
fordern eine lebendige Nutzungsvielfalt geradezu heraus. Und so
projektiert Werner Deller, Geschäftsführer und Gesellschafter
der "Alte Baumwollspinnerei Grundstücksverwaltung GmbH
und Co KG" mit den Saarbrücker Architekten Wandel-Hoefer-Lorch
die Einrichtung von Museums- und Galerieräumen, Künstlerateliers,
Wohnungen und Arbeitsräumen in Form von Lofts sowie Verkaufs-
und Ausstellungsräume. Die Mischnutzung soll die Anlage ständig
belebt halten. Auch entspricht die funktionelle Industriearchitektur
dem Anspruch der Kunst an eine sachliche Umgebung.
Erhalten, bewahren, hervorheben war der Grundgedanke bei der
Projektentwicklung. Nun sollen nach dem 2.Weltkrieg unsensibel
und unproportioniert hinzugefügte Anbauten entfernt, alle
Baukörper sorgfältig saniert, Charakteristik und Charme
jedes einzelnen behutsam unterstrichen, unterschiedliche Baumaterialien
und Details betont werden. Notwendige Ergänzungen geben sich
dann in einer klaren strengen Architektursprache eindeutig als
neu zu erkennen. Dies gilt insbesondere für das ehemalige
Maschinenhaus, das in alter Kubatur und der originalen Fenstergliederung
wiederhergestellt wird und künftig als Museumsentré
und -foyer dienen kann. Unabhängig davon erreicht man die
Arbeits- und Büroräume im ehemaligen Kesselhaus sowie
der ersten Fabriketage, - auch die Loft-Wohnungen darüber
-, über ein eigenes Eingangsfoyer im Winkel zwischen Maschinen-
und Kesselhaus. Ein hoher freistehender, sorgfältig sanierter
Schornstein signalisiert Besuchern schon von weitem die Eingangssituation.
Text: Marlen Dittmann
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